Samstag, 28. März 2009

Jagdfieber (2).




Wer an Weihnachten rund ums Haus 60 rohe Hühnereier in den Rabatten versteckt, der hat entweder einen an der Waffel oder einen Steinmarder im Haus.


Die Nachbarn denken, wir kommen mit den katholischen Feiertagen nicht zurecht, und grüßen schon seltsam. Dabei befolgen wir nur den guten Rat eines Kammerjägers, der – wie wir heute wissen – keinen Schimmer hat.



Aber der Reihe nach. Das Theater beginnt im Dezember 1999. Da liegt Luna quasi noch als Quark im Schaufenster, wir denken noch nicht einmal an einen Hund. Stattdessen rumoren alle möglichen Vier- und Sechsbeiner im Haus. Mäuse, Ratten, Silberfischchen, Marder, Spinnen. Wir wohnen seit einem Dreivierteljahr in unserer alten Kate und werden bald bekloppt.


Meine erste Begegnung mit einem Marder findet nachts statt. Ich liege im Bett und träume von einem U-Boot. Eine Katze kratzt in 3.000 Meter Tiefe außen am U-Boot-Fenster. Ich wache auf. Das U-Boot ist weg, das Kratzen nicht. Vorsichtig schiebe ich den Vorhang beiseite. Ein Bär hängt am Fliegengitter. Bisher dachte ich, Marder wären wieselartige Wesen mit Wespentaille. Das stimmt aber nicht. Iltisse sehen so aus. Marder sind kleine, fette Bärchen. Dieser da besonders. Alle Viere ausgebreitet hängt er am Fliegengitter und brummt.


Nachdem er sich auf derart unkonventionelle Weise vorgestellt hat, betrachtet er sich als zum Inventar gehörig. Abends gegen 22 Uhr pflegt er auszugehen. Wir hören ihn durch das Dach rumpeln, in die Zwischendecke einbiegen und quer über unser Schlafzimmer bis in die Ecke tapsen. Dort, direkt über unseren Köpfen, ist sein Ausgang. Er scheppert das Regenfallrohr hinunter und treibt sich im Viertel rum, der alte Hallodri. Morgens um 4 kommt er nach Hause. Manchmal stürmt er direkt das Fallrohr hoch und verschwindet im Haus. In der Regel aber schwingt er sich hinten am Gartenschuppen aufs Dach und rabauzt die 15 Meter lange, klapprige Dachrinne entlang, bis er seine Eingangsecke erreicht. Morgen allerseits!


Über die Monate werden die Lärmbelästigungen immer heftiger, unsere Augenringe zusehends dunkler. Von Zeit zu Zeit hat er Sex. Infernalischer Lärm, es wackelt die Wand. Mit der Verhütung klappt es nicht. In den Frühjahren 2000 und 2001 füllt er sein Nest mit Nachwuchs, im Dachfirst direkt über dem Büro. Wenn ich mit der Faust gegen die Decke poche, quiekt es im Takt. Die Jungschar hopst vergnügt auf und ab.


Im Spätsommer 2001 ziehen wir Bilanz. Für den Marder spricht nicht viel. Brunftstöhnen im Garten. Mordslärm im Dach. Geklaute Ostereier im April. Marderklo über dem Bad. Die kacken alle umsichtig auf einen Fleck, bis es aus der Decke suppt. Vor der Haustür abgestellte Schuhe verschwinden und werden Tage später mit angenagten Sohlen ohne Schuhbändel hinter dem Haus gefunden. Sollen wir warten, bis eine abgerissene Hühnerkralle in unserem Bett liegt wie damals im Sommerhaus meines Schwagers? Nein. Es reicht. Die Viecher müssen raus!


Der Nachbar ist auch dafür. Es ginge so langsam ins Geld. Der Fuchs klaue ihm die teuren Steinbacher Kampfgänse, der Marder die Eier. Unter diesen Umständen sei eine vernünftige Geflügelaufzucht unmöglich.


Der Kammerjäger lässt sich auf nichts ein. Marder stünden unter Naturschutz, er dürfe da nicht tätig werden. Dabei hat die faule Socke nur Angst vor einer Niederlage. Alles, was sich nicht fangen lässt, schadet dem Kammerjäger-Renommee. Marder gehören dazu. Immerhin empfiehlt er, alle Ein- und Ausgänge ausfindig zu machen und ordentlich zu verrammeln, sobald der Marder draußen ist.


Ausfindig machen sei übrigens ganz simpel. Man kaufe die billigen Eier von Lidl, die röchen etwas nach Fisch, seien daher sehr beliebt, und verteile sie rund ums Haus. Man müsse wissen, dass Marder keine Kinderstube hätten und wie Schweine fräßen. Sie schlügen, ja dröschen regelrecht mit der Pfote auf das Ei, tunkten die Schnauze hinein, schlürften, bekleckerten sich rundherum den Wams und gingen in diesem Zustand schließlich zu Bett. Voilà, am gesamten Haus fänden sich verräterische Eiweiß- und Eigelbspuren. Schon seien die Schlupflöcher identifiziert.


Der Mann ist ein Idiot. Wir sind auch Idioten. Deshalb hören wir auf ihn. Eines Abends um Weihnachten 2001 platzieren wir rund 60 rohe Eier in unseren Rabatten. Am nächsten Tag sind alle spurlos verschwunden. Kein Glibber am Haus. Nirgends!


Drei Jahre später werde ich beim Kompostausheben zufällig auf ein Eierlager stoßen. Ein Marder frisst wie ein Schwein? Unfug. Alle Eier sind oben kreisrund aufgenagt und blitzsauber ausgesaugt. Du hättest sie bemalen und am Osterstrauß aufhängen können.


Morgen mehr.






© Michael Frey Dodillet | Die Krawallmaustagebücher 2009

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